verschiedenen tendenzen der zeitgenoessischen architektur

Silvan Linden


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da convex tv. derzeit auf absolut umfassende weise mit formatfragen beschaeftigt ist, moechte ich an dieser stelle die gelegenheit beim schopfe ergreifen, um anhand verschiedener tendenzen in der zeitgenoessischen architektur die relevanz von formatfragen auch auf diesem gebiet darzulegen. dankenswerte vorarbeit ist in diesem zusammenhang geleistet worden von philip oswalt und anna klingmann mit einem artikel zum thema "formlosigkeit" - erschienen in der arch+ 139, 140.
allen architekturinteressierten hoerern sei in diesem zusammenhang auch die aktuelle ausgabe der arch+ an herz gelegt - nicht zuletzt wegen eines von den architekten francois und lewis realisierten aberwitzigen projektes fuer ferienhaueser in frankreich. diese haueser huellen sich komplett in hecken- oder spalierartig geschnittene baeume durch die sie ihre fenster strecken, um sie letztlich in ihrem inneren als waldtapete fortzusetzen. das ergebnis ist wirklich verstoerend. das zuhause wird aufgeloest in einer postzivilisatorischen ursuppe. zu allem ueberfluss liegt das eg einige stufen unter dem gelaende auf dass mutter natur ihre kinder ganz umschliesse.

aber nun zu einer kurzen darstellung der verschiedenen tendenzen der zeitgenoessischen architektur um abschliessend zu einer kurzen stellungnahme bezueglich des themas format zu gelangen.

zu erwaehnen sind zunaechst die sogenannten minimalisten, die als reflex auf mediale bedeutungsflut objekte VOR aller semiotik schaffen wollen. alle refenzen zum menschlichen mass, klassichen elemneten einer architektonischen sprech- und lesbarkeit werden getilgt bis nur das objekt und mehr noch das material in reiner sinnlichkiet vor uns steht . gemeint ist hier vor allem der beton und glasmystizismus des schweizer bueros herzog und de meuron. allen interessietten sei in diesem zusammenhang ein besuch in erberswalde empfohlen, wo in zusammnenarbeit mit dem fotografen thomas ruff u.a. die bibliotkek der dortigen hochschule errichtet wurde.

eine weitere gruppirung formen die konventionalisten. die konventionalisten konstatieren die gegenwart des vorformatierten und standardisierten als gegeben und unvermeidlich. der daraus resultierende mangel an potentiell architektonisch sagbarem (formfollows..) und ausdrueckbarem wird ueberfuehrt in die anwendung und moralische ueberhoehung des normalen/durchschnittlichen als dem absoluten. political correctness, opportunismus, gemeinschaftsdusel, faschismus sind hier die stichworte. in berlin zu besichtigen sind beipspielhat die haeuser torstr. / ecke friedrichstr. und friedrichstr. / ecke franzoesische str. sowie unter den linden / ecke wilhelmstr. des architekten hans kollhoff.

schliesslich sind zu erwaehen die subversiven realisten. hier wird die allgegenwart des typologisch definierten gegen sich selbst gewandt, indem aus einer quasi duemmlich einfachen uebersetzung des programms, dieses zum ausgangspunkt einer ganz neuen, nunmehr unbestimmten nutzung wird. die rede ist natuerlich von rem koolhaas und beispielsweise seinem vorschlag fuer die bibliotheque de france, die sich im sinne der duemmlichkeit lesen laesst als eine aneinandereihung von buecheregalen. insbesondere die hoellandische schule hat mittlwerweile vielfache entwicklungen in gang gesetzt. formatrelevant sind hier vor allem die arbeiten von architecture one, die im stile eines subversiven empirismus oder hyperkontextualismus allgemein akzeptierte gegebenheiten zum objekt einer masslosen quantifizierung und somit zum generator veraenderter inhalte machen.
hiesige beispiele sind rar, so daß dem architekturtouristen am ehehsten eine reise nach utrecht zu empfehlen ist. auf den dortigen universitaetsgelaende befinden sich zwei wirklich interessante gebaeude von koolhaas und neutelings.

eine weitere gruppe bilden die metafunktionalisten wie die amerikanische gruppe su11.
hier wird das architektonische programm in die vielzahl seiner konsumierbaren und produktfaehigen einzelteile zerlegt und ihre wiedervereinigung zum nur-objekt inszeniert. die akzeptanz des konsums als abwesenheit von vernunft und der perpetuierung von veraenderung um ihrer selbst willen (beides in radikaler weise antihumanistisch) wird im sinne einer momenthaften beschleunigung in die wiedererfindung der zeit umgeleitet.

wir sehen also wie alle diese tendenzen an der frage der verknuepfung oder ableitung von konvention und form arbeiten. an der frage also, wo der architekt, der per humanistischer berufung an der ordnung der welt und dem einklang ihrer teile arbeitet, an ihrer – vernunftsfernen / willkuerlichen oder auch gesetzmaessigen - gleichschaltung eben krankt, bzw. sich zum zwecke der defintion der eigenen existenz distanzieren muss von ebensolcher welt fuer die er baut. der erschaffung der aeusseren ordnung ist die erhaltung der inneren gewichen. die frage der verantwortung ist gewichen der spekulation auf eine relevanz des eigenen bewusstseins ausserhalb desselben.

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