Rirkrit Tiravanija - Kochtöpfe zu Radios

Stefan Schreck


[text als audiofile]

Take: stöcke, gitarre, abbruch

Am Anfang war die Gitarre und der Bass und das Schlagzeug. Die Instrumente also, die den Mythos des modernen Amerikas und seiner Musik miterfanden. Doch das ist eine Weile her. Nichtsdestotrotz stellte der in New York lebende thailändische Künstler Rirkrit Tiravanija in seinen temporären Musiklabors in Chicago, Boston, San Diego und Santa Fe den Besuchern genau diese drei Instrumente zur Verfügung. Damit sie in gemeinsamen Jam-Session Audiotapes für sein Archiv beisteuern.

TAKE Tiravanija Basic level

Im Berliner Büro Friedrich gibt es dieses noch unvollständige Musikarchiv nun zum ersten Mal als Ausstellung, die sich nicht als Ausstellung versteht: Interaktiv und kommunikativ soll es sein, kreative und autonom zugehen.
Während es in den Musikstudios um die Produktion des Rohmaterials ging, sollen in Berlin nun die Besucher aus dem Audiomaterial eine Radiosendung zusammenstellen, die dann im Offenen Kanal Berlin und im Ocean Club von Gudrun Gut auf Radio 1 gesendet werden sollen.

Take Musik klavier kitsch

149 Tapes, die in Tiravanija Proberäumen eingespielt wurden, warten darauf gehört und beachtet zu werden - einige Bands erhoffen sich vielleicht sogar den ersten Plattenvertrag. Neben dilletantischen Versuchen den Seiten oder Stimmbändern Töne zu entlocken, gibt es sorgfältig arrangierte Musikstücke, die allesamt beseelt sind von Rock, Jazz, Soul oder Country. Amerika analog.

TAKE gitarre

Weder das Rehearselstudio noch die Installation in Berlin wollen ein auratisches Kunstwerk sein, sondern eher künstlich geschaffene Situationen, in denen über die Musik verbale und non-verbale Kommunikation möglich wird. Ob Tiravanija die Besucher bekocht, wie in seinen früheren Installationen, oder ihnen Musikinstrumente zur Verfügung stellt, immer soll seine Arbeit erst während des Events entstehen und im wesentlichen von den Beteiligten gestaltet werden. Im gerade eröffneten Pavillion von Dan Graham in den Berliner Kunstwerken erklärte Tiravanija, warum er diese Form in seinen Arbeiten immerwieder sucht:

Take: Tiravanija TAKE ONE

In einem Mini-Studio-Setup in den Räumen des Büro Friedrich sollen die bis jetzt ausschließlich in den USA produzierten Musikstücke in eine radiokompatible Form gebracht werden. Vor den Tapes sitzt man etwas hilflos und steht man nicht auf Gitarren muss man schon einiges Remixtalent aufweisen, um mit den anonymen Stücken etwas anfangen zu können. Die Tapes sind nur mit Datum und einem temporären Bandnamen beschriftet: Swiss electro - 18.Mai 1997, Imperfect fluids - 1997, Adam+Julie - 23.April 1998.
An dem Entstehungsprozess hat man nicht teilgenommen und die Stimmung bei den Aufnahmen kann man nur erahnen. Treffen mit Freunden oder der Familie, wo dann auch schon mal die Klassiker augegraben werden.
Nur wer will das schon hören, auch wenn sie in einer kommunikativen Atmosphäre enstanden sind?
Klingt Bob Dylans Song: „Born to run" dann anders als damals am Lagerfeuer?

TAKE: Musik Dylan

Nein, die meisten Tapes langweilen. Das Projekt von Tiravanija denkt viele neue Kommunikationswege gar nicht erst mit. Er verpflanzt selbstgenügsame Homerecordings auf Casetten in andere Weltteile und man weiss gar nicht so genau warum man das jetzt eigentlich hören sollen wollte. Für die teils verwirklichten, teils geplanten weiteren Produktionsstätten gab es dann auch eine andere Studiobestückung: Plattenspieler, Sampler und Keyboards waren in Europa und Japan unentbehrlich. Und erst wenn sie in das Archiv aufgenommen werden, kann vielleicht ein Kaleidoscope der Weltklänge entstehen. So hat man nur die Wahl zwischen Gitarre und Gitarre. Mehr nicht. Und wie sollte man darüber reden, geschweige denn sich den Remix im Radio anhören wollen?
Und warum überhaupt im Radio?

TAKE Tiravanija RADIO

Tiravanija Versuch eine angnehme, entspannte Atmosphäre zu schaffen, kommt über den selbstdefinierten ersten Level nicht hinaus. Denn der „space without language" hinterlässt zumindest beim Hörer in den Räumen des Büro Friedrich tatsächlich Sprachlosigkeit.

TAKE Musik Yesterday

 

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