7.Dezember 1997




silver apples

Ulrich Gutmair


[text als audiofile]


silver apples: "oh-oh, we've got to be a band now." [Silver Apples: Beacon, 1997]


Mitte der 90er machten gut informierte junge Menschen in Mitteleuropa und auf der anderen Seite des Kanals eine neue Entdeckung auf der Suche nach den Urvätern von Techno undsoweiter. Die Silver Apples aus New York, deren Platten irgendwann nicht mal mehr im Second Hand Plattenladen zu finden waren, hatten sich Ende der 60er eine krude Mischung aus rudimentären Elektronikklängen, Radiorauschen, Banjos und einer Stimme zusammengebastelt. Letztere konnte sich nie so recht zwischen hippiesker Softness, Country and Western und Sprechgesang entscheiden. Wirklich interessant war das Duo Simeon/Dan Taylor alias Silver Apples aber wegen seiner progressiven Rhythmen und den merkwürdigen Sounds, die mittels selbstgebauter Oszillatoren erzeugt wurden.

Damit wurde das große Schisma zwischen Pop und Techno, Gitarre und Synthesizer, das sich Ende der 70er ankündigte, 1967 schon mal vorexerziert. Wir hören Simeon, damals wie heute Chefelektroniker der Silver Apples:

simeon:
i found myself singing for a band in new york city every night. and because we had to work every night they would stretch out these long guitar breaks so that we wouldn't have to play so many songs and repeat ourselves. and that left me with nothing to do. so out of absolute boredom i picked up a friend of mineâs oscillator and brought it on stage one night and just plugged it in. i just started messing around during one of the late guitar breaks. the band hated it - but i loved it, the drummer loved it. and eventually we formed silver apples with those oscillator sounds and him doing some drumming he had wanted to do all along in his head but because of this rigidity of the sort of soul-rock thing that was going on then he wasn't able to do. that's really kinda how it happened - it wasn't because we had a great idea, it was because i didn't have anything to play, so i played that...

1968 veröffentlichten Silver Apples ihre erste LP, deren Single Auskopplung "Oscillations" die Band in die Charts diverser amerikanischer Großstädte katapultierte. Dan Taylor übte sich in monotonen, maschinell klingenden Rhythmen, während Simeon die Oszillatoren bediente und sang. Zwischendurch wurde auch mal ein Radioprogramm mitgeschnitten und eingespielt. Dann trafen sich Polkaklänge aus dem Äther mit den Elektrosounds der Band. Ambient würde man das heute wohl nennen. Ein Jahr später folgte die zweite LP "Contact". "Contact" beginnt mit einem startenden Flugzeug und fusioniert etwa auf "Ruby" ein Schlagzeug, das wie ein Drumcomputer klingt mit einem elektronischen Dröhnen und einem Banjo.

musik:
[Silver Apples: "Ruby", Contact, 1969]

Überhaupt erscheinen die beiden originalen Silver Apples Platten aus den 60ern wie eine Vorahnung auf den End-70er-Sound von Suicide, ebenfalls ein Duo, das klassischen RockânâRoll zu einer elektronischen, superdarken New Wave Version umformatierte. Allerdings waren Suicide nie so vollkommen vergessen worden wie die Silver Apples, die 1970 noch einmal eine Platte aufnahmen, die aber nie veröffentlicht wurde. Als das deutsche Label TRC die Apples Klassiker 1994 auf einer DoppelCD bootleggte, fanden sich die Silver Apples aber ziemlich schnell in den Lieblingsplattenlisten und -kisten von DJs und Elektronikaktivisten wie etwa Alec Empire wieder. Wieder mal konnte man Geschichtsbewußtsein beweisen, wenn es darum ging, diesen oder jenen Patenonkel in die Technoahnengalerie aufzunehmen. Dabei haben die Apples elektronische Sounds nie so verstanden, wie man sich das 1997 gerne vorstellen würde, als Befreiung von der Figur des Autors, von der Idee des Ausdrucks, der Melodie und vom Authentischen ---vielleicht.

simeon:
ah - but try to play one of those oscillators in tune! it's like playing a violin or trombone, that has no threads - it's total glissando. and so you have to listen when you're playing, maybe more so than a violinist would, because the violin is right up against your ear. you are hearing that thing vibrate right against your skull, and a trombone comes out of your mouth, it's connected to you. the oscillator is not! and so you really have to listen outside of your head to hear whether or not you're in tune. sure lots of people use theremins, oscillators, glissando synthesizers as electronic effects and mood generators and things like that, but what separates silver apples is that we actually fucking play them. (..)i find the sound fascinating because it's not something you hear every day. that's what makes it exciting i think. it's one thing to take a guitar and run it through a whole bunch of fx-pedals and get eventually some sound that no one has ever heard before. but you can start with an oscillator and not run it through anything and do things that you don't hear on the street or in everyday life. just right off the back. synthesizers of course take oscillators and do the same thing with them. but control them very nicely, engineering-wise. it's very precise. i prefer the looser thing. we don't deny technology, but there is something interesting about those oscillators and the toop sound they generate. the freeform feeling they give a song. you can have this kind of heartbeat rhythms we all do. and add those oscillators floating across the top. and this just gives the whole thing a totally new... free feeling happy thing. it's hard to get with anything else, i think, but easy with oscillators.
musik:
[Silver Apples: "I have known love", Contact, 1969]

Für ihre neue CD "Beacon" hat Simeon die Band nach fast dreissig Jahren zusammen mit zwei neuen Mitstreitern reformiert, angefeuert von den Bootlegs und Tribute CDs, die in Deutschland und Großbritannien aufgelegt wurden. Für Simeon sind die Silver Apples jetzt - man ahnt es schon - erwachsen geworden. Trotzdem - oder vielleicht gerade deswegen - reicht das Ergebnis nicht an den rohen, intensiven Sound ihrer alten Platten heran, auch wenn man den Noiseproduzenten Steve Albini als Engineer für "Beacon" gewinnen konnte. Albini hat sich mit dem Produzieren bedauerlicherweise zurückgehalten. So wurden die manchmal wirklich schlimmen Alleinunterhalterkeyboardsounds von Xian Hawkins sauber und ohne Ironie eingespielt.

An bestimmten Ecken in New York leidet man anscheinend immer noch an einer massiven Unterversorgung mit Chicago House, Detroit Techno oder Drum&Bass; UK. So haben die Silver Apples auch heute keinen Schimmer von der Politik des Dancefloors.

Trotzdem verfügt Beacon über einen gewissen Charme, der darin liegen könnte, dass sich Simeons Oszillatorenklänge kaum verändert haben und das ganze immer noch genauso naiv daherkommt wie 1968. Silver Apples haben auf ihrem Label Whirliebird Records inzwischen aber auch die sorgfältig restaurierten LPs von damals wiederveröffentlicht, deren Erwerb sich auch weiterhin empfiehlt. Auch wenn das alte Material für Mastermind Simeon heute nur noch ein Witz ist.

simeon:
i think the new silver apples is much more musical, more complicated and its message is heavier. more profound. a pox on you is fun. but it's kind of a guy getting pissed off because his girlfriend dumped him. how deep is that? but fractal flow is about life itself. it's about life forces that drive us all toward a destiny that we must all feel inside our bodies. and those of us who can tune into it are very fortunate. if our music can help people tune into it - wonderful. one person - if we can get one person in tune that'd be wonderful. so there's a profoundity in what we're doing now, and i don't think there was back then. back then it was just a goof.

musik: [Silver Apples: Ancient Path, Beacon, 1997]



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- 7.Dezember 1997 -


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