2.März 1997





people like us: making the noise out of it...

ulrich gutmair


[text als audiofile]


das spektakel der medien ist eine sonne, die niemals untergeht über dem imperium der menschlichen passivität, bemerkte der situationist guy debord vor einigen jahrzehnten. heute scheint nichts selbstverständlicher zu sein als die tägliche flut von bildern, nachrichten, informationen und fiktionen, die sich tagein tagaus uns ergießen. es sind menschen wie wir, die in den talkshows vor sich hin plappern. people like us ist daher ein treffender name für ein projekt aus brighton, england, das medieninhalte dekonstruiert, um sie dann am dj-pult, auf platten und auf cd's neu wieder zusammenzusetzen. vor kurzem besuchten people like us berlins sniper bar, selbst ein ort des permanenten gegenangriffs auf den audiovisuellen overkill. die ergebnisse dieser audio-cutups sind oft erheiternd, manchmal aber auch deprimierend.

(sniper-sounds)

verschiedenste bild- und klangquellen werden hier gleichzeitig zusammengemischt. einzelne ereignisse werden aus ihrem medialen zusammenhang gerissen und dadurch als konstruktionen von realität überhaupt wieder erst sichtbar. auch wenn die rekombinierten fragmente aus filmklassikern, fernsehshows und reportagen auf den ersten blick, bzw. aufs erste hören genauso willkürlich kombiniert erscheinen wie der brachiale mix aus 50 jahren popgeschichte, der aus den boxen dröhnt. hier ein live mitschnitt mit people like us zu besuch bei snipers:

(plu-sniper-sounds)

people like us haben auf dem niederländischen staalplaat label bereits einige platten veröffentlicht, in denen kleine dialogschnipsel und easylistening-melodien das ganze elend der television offenbaren. vicki, das einzige mitglied von people like us, hat auf dem art college eigentlich film und video studiert. und was auf den ersten blick paradox erscheint, wird in der retrospektive zur schieren notwendigkeit:

vicki: ich habe die soundtracks zu meinen filmen immer selbst gemacht. damals war der klang aber noch zweitrangig. schritt für schritt hat es sich dann dahin entwickelt, daß ich zuerst die soundtracks auf die tonspur meiner bänder gespielt habe, noch vor den bildern. so hat der sound das bild diktiert. viele filmemacher verwenden die meiste zeit darauf, bilder zu komponieren und in der letzten woche heißt es dann: 'oh wir müssen noch einen soundtrack machen'. der dann überhaupt nicht in den film integriert ist. ich denke, daß die meisten menschen im westen visuell dominiert sind, ich dagegen finde klänge viel kraftvoller, weil man seine eigene vorstellung gebrauchen und die bilder selbst entwickeln muß. das ist auch persönlicher. andererseits sind klänge aber auch stärker, weil man von ihnen leichter manipuliert werden kann. wobei es nicht meine absicht ist. leute zu manipulieren.

das plattencover von lassie house, der letzten veröffentlichung von people like us ist eigentlich keins. aus dem rechteckigen plastikrelief, irgendwo in ostasien hergestellt, blicken treuherzig hund und katze heraus. auch auf der platte selbst, einer picture-disk, herrscht der kitsch. ein hübsch frisiertes hündchen hat auf seite a hellblau, auf seite b rosa eingefärbtes fell, es sind die bevorzugten haarfarben englischer omas, wie vicki erklärt. lassie house versammelt fragmente einer stupiden tv-realität, die heute ja vor allem aus den stereotypen dialogen billiger seifenopern zu bestehen scheint.

(lassie house 1)

people like us werden immer wieder mit der einschätzung konfrontiert, zum lager der plunderphonics zu gehören. aus der plunderphonics-rubrik heraus ist es zwar leichter öffentlichkeit herzustellen, das dasein in der schublade hat aber gleichzeitig den nachteil, bestimmte erwartungen zu erzeugen. für vicki ist plunderphonics die direkte antwort auf gesetze des copyright, die bestimmte kulturelle äußerungen und produkte zum eigentum von tv-sendern und plattenfirmen erklären. anders als den so politisch motivierten plunderphonics-aktivisten wie zum beispiel negativland, die mit ihrer provokation gegenüber u2 vor jahren einiges aufsehen erregt haben, geht es people like us um das mediale material selbst, das es richtig zu organisieren gilt. people like us haben keinen masterplan, wenn es darum geht, bereits vorhandene klänge und äußerungen zu bearbeiten. da hilft nur der tape-recorder und die intuition. aber auch die will erst einmal erarbeitet sein.

vicki: meistens weiß ich gar nicht was tue, ich probiere herum, experimentiere. schon deswegen kann ich nicht plunderphonics produzieren, weil ich sonst einen begriff davon hätte, was ich mache. in wirklichkeit sitze ich zu hause und nehme stundenlang sachen auf und versuche herauszufinden, was davon miteinander funktioniert. aber ich habe niemals grundlegende konzepte zu den dingen, die ich gerade mache. ich versuche nur etwas gutes zu produzieren, und das ist schon schwer genug - auch wenn man kein konzept dafür hat.

die auf lassie house versammelten fragmente sprechen in ihrer banalität für sich selbst. die verfremdung der stimmen macht aus den sprechenden dann aber endgültig roboter, fremdartige aliens, denen jede menschliche dimension zu fehlen scheint. schon der bereits erwähnte debord interpretierte die audivisuellen medien des 20. jahrhunderts als sichtbare negation des lebens. das spektakel stellt die realität zwar auf den kopf, gleichzeitig bricht die in ihm reproduzierte gesellschaftliche realität aber auch immer wieder aus den medien hervor. diese reziproke entfremdung sei die grundlage und essenz der gegenwärtigen gesellschaft, so der kommunist debord. man muß diese fundamentalkritik der situationisten nicht teilen, um people like us freude an der destruktion spektakulären mülls verstehen zu können... in einer zuerst einmal privaten auseinandersetzung geht es vor allem um eine antwort auf die unerträgliche stumpsinnigkeit des seins, sei es auf der straße oder in der talk show. denn erstaunlich viele menschen scheinen sich nie beim reden zuzuhören, wie vicki beobachtet. das sind gesellschaftliche tatsachen, die sich kaum mit kommunikationstheoretischen überlegungen bewältigen lassen. people like us verteidigen ihre integrität indem sie die passive position des medienkonsums gegen die aktive auseinandersetzung mit medialen nullbotschaften eintauschen. indem sie medieninhalte zerstören und als lärm dahin zurückwerfen, wo er hergekommen ist.

vicki: was ich mache ist meine art, medien zu interpretieren. ich habe das gefühl es gibt so viel davon, daß ich etwas damit anstellen muß, ich kann das alles nicht einfach über mich ergehen lassen. es ist meine art, dinge neu zu interpretieren, indem ich sie auseinandernehme. wenn man dinge in der art von cut-ups auseinandernimmt, kann man die dahinterstehenden ideen offenlegen. es ist als ob man die knochen offenlegen würde, das skelett. das ist der grund, warum ich mich mit medien auseinandersetze, aber vor allem bin ich an der stumpfsinnigkeit des lebens interessiert. nämlich der art und weise wie fade und leblos alles ist und daß sich menschen mit so wenig zufrieden geben. warum die leute sich keinerlei gedanken über sachen machen, die mich in den wahnsinn treiben. ich muß das den leuten um die ohren hauen.

lassie house (2)

angaben zur platte:

People like Us: Lassie House (Staalplaat)

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- 2.März 1997 -


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